Es ist Jahresbeginn und weil da vieles wieder von vorne beginnt, hab ich mir gedacht, wir fangen auch mal wieder von vorne an und ich möchte Dir mit diesem Artikel mal einen Überblick geben, wie denn unsere Verdauung so funktioniert und was da alles zusammenspielt. Leichter verständlich ist das natürlich anhand eines Beispiels und was liegt da näher, als eine der Lieblingsmehlspeisen der Österreicher zu nehmen. Außerdem mag ich ihn selbst auch sehr gerne, den Apfelstrudel. Also schauen wir uns einmal an, was so übrig bleibt, vom Strudel, wenn er unseren Körper passiert hat und was sich der Körper da so alles rausholt.
Wo beginnt die Verdauung wirklich?
Die ersten Verdauungsvorgänge beginnen schon, wenn sich der Apfelstrudel noch auf dem Teller befindet. Der Duft, den einem in den Nase steigt, diese verführerische Süße, nach Zimt und warmen Apfel riechende Versuchung. Kannst Du Dir das gerade vorstellen? Schließe einmal kurz die Augen und stell Dir diesen Teller vor, mit dem frischen, gerade erst aus dem Backrohr kommenden Apfelstrudel. Nur schnell noch etwas Staubzucker oben drauf, wie das duftet – herrlich!

Was ist da jetzt gerade passiert, bei Dir im Mund? Ist Dir gerade das Wasser im Mund zusammengelaufen?
Der Mund
Ja, richtig, die Verdauungssäfte beginnen schon zu fließen, da brauchst Du nur ans Essen zu denken! Dieses „Wasser“, was hier läuft, ist der Speichel und der enthält neben Wasser bereits das erste Verdauungsenzym, nämlich die Amylase (im Mund Ptyalin genannt), sowie Begleit- und Schleimstoffe (Muzine), die die Aufgaben haben, die Nahrung leichter durch die Speiseröhre zu transportieren. Die Amylase soll eine erste Spaltung der Kohlenhydrate vornehmen, wenn man ihr genügend Zeit dazu lässt. Wenn Du also Deinen Apfelstrudel so richtig genießt und auskostest im Mund, also ordentlich kaust, dann hat das Enzym auch wirklich genug Zeit die Kohlenhydrate im Teig bereits in kleinere Bestandteile zu zerlegen. Heute wird vielfach zu wenig gekaut und zu schnell geschluckt. Dadurch gelangt die Amylase mit in den Magen, wo sie durch die Salzsäure zerlegt wird und ihre Wirkung verpufft ganz einfach.
Die Speiseröhre
Der Ösophagus (Speiseröhre) ist ein Muskelschlauch, dessen einzige Aufgabe es ist, die Nahrung vom Mund in den Magen zu transportieren – manchmal auch umgekehrt. Für die eigentliche Verdauung spielt sie eine untergeordnete Rolle. Unser Apfelstrudel, der jetzt von unseren Zähnen zerkleinert und mit Speichel vermischt ist, wird also jetzt durch die Speiseröhre in den Magen befördert. Das Schlucken ist ein ziemlich automatisierter Prozess, oder hast Du schon mal drüber nachgedacht, ganz bewußt, dass Du jetzt schlucken musst? Das macht nur dann Probleme, wenn wir den Mund mal zu voll genommen oder zu wenig gekaut haben, dass große Stücke in der Speiseröhre stecken bleiben. Die ist ja zum Glück etwas dehnbar, dass selbst dann das Stückchen weiter rutscht. Die Speiseröhre ist an ihrer engsten Stelle gerade mal zwei Zentimeter breit. Die „Essen-Hinunter-Schlinger“ tun also der Speiseröhre nichts Gutes damit. Denn die Brocken sind da meist größer als eine Haselnuss und das entspricht in etwas der Größe, die da durch passt.
Durch das Schlucken wird auch – etwas zeitversetzt versteht sich – die Klappe zum Magen hin geöffnet, damit der Apfelstrudel-Speisebrei dort seiner weiteren Verarbeitung zugeführt werden kann.
Der Magen
Der Magen scheint in erster Linie ein großer Sack zu sein, in dem die Nahrung aufbewahrt wird, weil der Darm mit einer anständigen Mahlzeit grenzenlos überfordert wäre, würde er die ganze Landung auf einmal abbekommen. Allerdings ist das nicht ganz richtig so. Der Magen gleicht einem fein abgestimmten Präzisionswerk, in dem die unterschiedlichen Regionen zusammenarbeiten. Unser Apfelstrudel-Speisebrei landet zunächst im Fundus, im oberen Teil des Magens. Dieser Teil fungiert als Parkplatz und dieser passt sich auch entsprechend an. Kommt fiel, kann er sich entsprechend ausdehnen. Portionsweise gelangt unser Apfelstrudel jetzt in den mittleren Magen, den Korpus und wird von dort zum Antrum weitergeleitet, dem Vorhof des Dünndarms. Von dort gelangt der Speisebrei dann weiter zum Pförtner, der ihn wiederum nur portionsweise in den Dünndarm entlässt.
Im Magen werden pro Tag ca. 2 Liter Magensaft produziert, der aus Salzsäure, Pepsin (ein Enzym), Muzinen (Schleimstoffe, Glykoproteine mit 50 % KH-Anteil) und dem Intrinsic Factor (zum Schutz für das Vitamin B12) besteht. Der Magensaft weist in der Regel einen pH-Wert von 2 bis 3 auf, kann aber bis pH 1 absinken (zur Erinnerung: pH 7 ist neutral), was einer sehr starken Säure entspricht.
Die Aufgaben der sehr starken Salzsäure sind, Bakterien zu töten und Proteine zu denaturieren. Das eiweißspaltende Enzym Pepsin könnte die riesigen Aminosäureknäuel, aus denen die Proteine bestehen, sonst gar nicht zerlegen. Statt einem riesigen Knäuel hat man bereits nach kurzer Verweildauer im Magen lange Aminosäureschnüre vorliegen, die dann vom Enzym in kürzere Polypeptidketten gespalten werden. Für unseren Apfelstrudel bedeutet das jetzt, dass hier die Eiweißbestandteile zerlegt werden. Das wären beispielsweise Gluten aus dem Mehl oder auch ein Ei im Teig. Aber auch der Apfel selbst enthält natürlich kleine Mengen an Eiweiß.
Der Dünndarm
Der Dünndarm gliedert sich in 3 Abschnitte:
- das Duodenum,
- das Jejunum und
- das Ileum.
Das Duodenum beginnt gleich hinter dem Magenpförtner und hat ein paar sehr wichtige Aufgaben in der Verdauung. Hier werden schon ca. 60 % der Nahrungsbestandteile in den Körper aufgenommen (resorbiert). In das Duodenum münden die großen Verdauungsdrüsen, die Leber mit der Galle und die Bauchspeicheldrüse (Pankreas).
Sobald der Magenpförtner den sauren Nahrungsbrei portionsweise in das Duodenum entlässt, muss dieser neutralisiert werden. Das geschieht durch die Brunner-Drüsen, die ein Sekret mit Bicarbonat absondern, welches den Nahrungsbrei von einem pH 2 auf etwa 8 anhebt. Das heißt für unseren sehr sauren Apfelstrudelbrei, der gerade den Magen verlassen hat, dass dieser zuerst neutralisiert wird und dann sogar leicht basisch gemacht wird. Nur in diesem Milieu können nämlich jetzt die nächsten Enzyme, die von der Galle und der Bauchspeicheldrüse kommen, arbeiten. Die mögen sauer nämlich gar nicht.
In den Leberzellen wird die Gallenflüssigkeit (pro Tag ca. 1 Liter) produziert, die für die Fettverdauung gebraucht wird.
Das Pankreas ist die wichtigste Drüse im Verdauungsprozess: täglich werden ca. 2 Liter Bauchspeichel produziert, der die Enzyme für alle Nahrungsbestandteile enthält. Für die Kohlenhydratverdauung ist es die Pankreas-Amylase, für die Fettverdauung die Pankreas-Lipase und bei der Proteinverdauung ist das wichtigste Enzym das Trypsin.
Hier geht es also an die Butter, von der in so einem Apfelstrudel ja nicht wenig drinnen ist und klarerweise an alles andere, was in den oberen Abschnitten noch nicht dran glauben musste.
Die Reste von unserem Apfelstrudel, die nach diesem Zerlegprozess noch übrig geblieben sind, wandern jetzt weiter ins Jejunum, in dem weitere Abbauvorgänge ablaufen und hauptsächlich Wasser und weitere Nährstoffe resorbiert werden. Zwei Fünftel des Dünndarms sind Jejunum, der Rest ist das Ileum. Hier findet die Resorption von Vitamin B12 statt und die Resorption der Gallensäuren. Dazu allerdings ein anderes mal.
Der Dickdarm
Der Dickdarm, oder Kolon genannt, erhält dann die Reste, die der Dünndarm übrig gelassen hat und dort erfüllen hauptsächlich Bakterien die Aufgabe, die unverdaulichen Nahrungsbestandteile aufzuspalten, wie z.B. Zellulose, Inulin, etc. und sie produzierten Vitamin K, das fettlösliche Vitamin, welches wir beispielsweise für die Blutgerinnung brauchen. Im Kolon wird nur mehr wenig Wasser resorbiert, das meiste findet im Dünndarm seinen Weg zurück in den Körper. Hier wird nur mehr die Fäzes eingedickt.
Der Apfelstrudel – von dem man hier genau genommen schon wirklich nicht mehr sprechen kann – büßt jetzt im vorbeiflitzen bei den Bakterien auch noch die gesamten Zellwandbestandteile aus Zellulose ein, die wir nur mit Hilfe unserer 2 Kilogramm Mitbewohner im Darm zerlegen können – dem Mikrobiom.
Der letzte Abschnitt des Dickdarms wird Rektum genannt und speichert die Stuhlmenge, die – bei funktionierender Verdauung – in der Regel einmal täglich ausgeschieden wird (ca. 100 g Stuhl pro Tag) und die ungefähr zu Hälfte aus den abgestorbenen Bakterien besteht – und den letzten Resten des Apfelstrudels, die der Körper nicht brauchen und verwerten konnte. Viel ist das nicht mehr, denn der Großteil ist in seine kleinsten Bausteine, in Moleküle, zerlegt und von unserem Körper einverleibt, weitertransportiert und in körpereigene Substanzen transformiert oder zu purer Energie für den Körper geworden.
Mich fasziniert das immer wieder aufs Neue, wozu unser Körper im Stande ist und welch ungeheure Energie und Kraft – auch in chemischer Hinsicht – er für diese Verdauungsprozesse aufwendet. Vor allem finde ich die Anpassungskraft des Körpers so faszinierend, wie er sich immer wieder auf so viele unterschiedliche Umstände und Situationen einstellt und uns tagtäglich mit Energie versorgt.